Renaissance: Das Bagger-Ballett

Date July 16, 2005 | Map

Unglaublich. Beeindruckendst. Spektakulär. Superlative kann es für das dritte Event des 2005er Greenwich and Docklands International Festivals nicht genug geben. Das Motionhouse Dance Theatre hat zusammen mit den The World Famous Kunst-Feuerwerkern eine Large Scale Performance der Extraklasse inszeniert: Ein Ballett mit Profi-Künstlern, lokalen Kindern und Amateuren, vier Schaufelbaggern und einem mobilen Schwerlastkran, wundervoll choreografiert zu einem speziell komponierten Soundtrack von Sophy Smith.

[thumb:306:l]Schon die Anreise versprach einen Hauch von Industrie-Romantik. Three Mills Green liegt zwischen Bow und Stratford im Londoner Osten, einer Gegend, die durch Industrie geprägt ist und auf die Olympischen Spiele 2012 hofft. Bekannt sind die Three Mills Film Studios nebenan, die angeblich größten Filmstudios in London. Hier wurden und werden Blockbuster, Fernsehspecials und Top-10-Musikvideos produziert; außerdem dienen die Studios als Probeort unter anderem für Westend-Musicals.

Three Mills ist eine Insel umgeben vom River Lea. Der Name kommt, wie man sich denken kann, von drei Mühlen, die hier mal standen. Eine davon gibt es noch, und die kann auch besichtigt werden: The House Mill. Eine nette Ecke, haben sich wohl auch Bauherren gedacht und dementsprechend fesche neue Wohnhäuser hochgezogen. Glücklicherweise blieb das Flair erhalten, und so fühlt man sich auf dem Three Mills Island irgendwie weit ab vom Schuss.

Three Mills Island erreicht man über eine unspektakuläre Parkplatz-Straße an einem Riesen-Tesco, gleich ab vom Northern Approach zum Blackwall-Tunnel, einer Art Stadtautobahn. Sobald man über die Brücke schreitet, wird die Atmosphäre fast schon dörflich. Im Park selbst schlug die Atmosphäre schlagartig um in eine leicht düstere Erwartungshaltung mit hoher Spannung: Dafür sorgte der Soundtrack, bzw. momentan ein sich leicht verändernder, tiefer, langsam pulsierender Basston.

Ich hatte ja keine Ahnung, was zu erwarten war und war auch etwas skeptisch, ob überhaupt genügend Zuschauer kommen würden. Im Nachhinein war ich aber äußerst froh, einen Logenplatz ganz vorne in der Mitte direkt an der Absperrung ergattert zu haben, dafür setzte ich mich auch ob meiner Körpergröße auf den Rasen.

Um halb zehn begann dann die Show, die sich nur schwer in Worte fassen lässt: Zunächst sah man Kisten mit Schattenspiegelungen von eingeschlossenen Menschen, die sich nach und nach befreiten. Das war der Teil, an dem auch ansässige Kinder teilnahmen. Plötzlich erschienen vier Schaufelbagger hinter einem Erdhügel und rasten mit blendenden Scheinwerfern aufs Publikum zu, unheilvoll mit ihren halberhobenen Schaufeln klappernd. Erst im letzten Moment machten sie eine Vollbremsung und rissen sie die Schaufeln mahnend hoch: Klar, wer hier Herr im Hause ist… Ansonsten nutzten sie den Park großzügig, um Pirouetten zu drehen, zu zweit oder zu viert zu tanzen, sich mal ganz lang auszustrecken und überhaupt ihre Flexibilität künstlerisch zur Schau zu stellen. Super choreografiert, und zusammen mit dem modernen, teils aggressiven, teils zurückhaltenden, aber immer souveränen Soundtrack sehr emotional mitreißend.

Später dann kamen wieder Menschen hinzu, die ihre Show machten und sich mit den Baggern vereinigten. Mensch und Bagger entdeckten sich gegenseitig, erst noch zögerlich, dann aber Vertrauen gewinnend. So machten z.B. zwei Bagger die etwas hölzernen Bewegungen der Tänzer nach (spektakulär auf Stützen schwankend), während die restlichen zwei Bagger bereits Menschen auf ihre Schaufel ließen. Auch akrobatisch von höchster Qualität. In diesem Teil kam es letztlich auch zu ausdrucksstarken, ruhigen, romantisch-lieblichen Szenen zwischen Mensch und Bagger: Kraft und Grazie vereinigt.

Nach dem gemeinsamen Spiel tobten sich die Bagger noch einmal aus, und das Megavieh, der Schwerlastkran, kam hinzu, mächtig zwischen den Baggern hindurchpreschend, mit heftigen Schräglagen in den für das Gefährt bei dieser Geschwindigkeit eigentlich zu engen Kurven. Irgendwann platzierte sich der Kran in der Mitte, die Bagger stellten sich ebenso in Pose, und der Arm des Kranes wurde ausgefahren…und ausgefahren…und ausgefahren…ganz schön lang.

Am Haken hing ein Harnisch, an den sich ein paar Akrobaten befestigten und schließlich Luftakrobatik trieben – recht weit oben. Auf dem Boden tanzten andere Akrobaten auf den Schaufeln mit den nun gezähmten Baggern. Anschließend begann der feurige Teil: Vom Kran und aus den Schaufeln wurde ein ganzes Arsenal an Pyrotechnik entzündet, das in einem spektakulären Hochfeuerwerk mündete.

Zum Glück war es mit etwa 3000 Zuschauern doch noch recht voll geworden, die allesamt von der Begeisterung angesteckt wurden, was sich in einem donnernden Applaus manifestierte. Ich persönlich hatte so etwas noch nie im Leben gesehen und bin mir sicher, dass das ein absolutes Highlight meiner Zeit in London bleiben wird. Schwer zu übertreffen.

Merke: Jedes Jahr im Juni/Juli nach dem GDIF Ausschau halten und die beiden dieses Jahr noch ausstehenden Veranstaltungen besuchen!

Renaissance Event-Beschreibung von Motionhouse (PDF)

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