Le Tour de France

Date July 8, 2007 | Map

Geweckt wurde ich beinahe von der Tour-Karawane. Das Vorprogramm der Tour, bevor die ganzen Radfahrer kommen, soll eine spaßige Familienangelegenheit sein. Allerdings schien dieses Unterhaltungsprogramm mit dem eigentlichen Zweck der Tour selbst nicht viel zu tun zu haben. Vor allem nicht, wenn die Spaßparade bereits etliche Stunden vor den Fahrern durch die Straßen rollt, ein Zeitpunkt, zu dem die meisten Zuschauer noch gar nicht da sind, weil sie wie ich am Frühstückstisch sitzen. Ich schaute mir das Spektakel also nur halbherzig durchs Fenster an – da sehe ich zwar nur ein kleines Stück Hauptstraße, aber das, was ich von der Karawane hörte, animierte mich nicht unbedingt, schneller zu essen. Tatsächlich, ich wohne direkt an der Tourstrecke.

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Zum Anschauen der eigentlichen Fahrer hatte ich mich dann im Greenwich Village verabredet, mit geplantem anschließenden Kulturprogramm. Erst nach 10 Uhr sollte das Peloton durch das Village radeln, um am National Maritime Museum die offizielle Startfreigabe zu erhalten. Wir gönnten uns vorher noch einen Kaffee bei Peter de Wit’s und mischten uns dann unter die Leute, die zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als nur zahlreich erschienen waren – es war so knackevoll, wie ich es nach fast zwei Jahren Wohnhaftigkeit noch nie in Greenwich erlebt hatte.

Wir warteten noch eine ganze Weile, hatten aber gute Sichtplätze direkt an der Absperrung. Die Stimmung war losgelöst-heiter: Alle erwarteten mit Spannung die Radfahr-Elite. Die Menschen auf der anderen Straßenseite hatten den Vorteil, das großzügige Unterhaltungsprogramm an der Cutty Sark mitzubekommen, aber eine Straßenüberquerung war für uns ein Ding der Unmöglichkeit. Nach langer Wartezeit wurde dann die Fahrzeugdichte spürbar höher, und dann kamen sie: Unter großem Jubel radelten die Profi-Fahrer an uns vorbei, angeführt von einem Auto, aus dessen Schiebedach ein Mann die “Depart”-Flagge hochhielt.

Das Feld war recht groß, die Fahrer alle in ihren Mannschaftstrikots gekleidet, der Jubel war laut, und dann war’s auch schon vorbei. Bis auf ein paar Nachzügler. Es folgten die Support-Autos und die großen Mannschaftsbusse, die mit doch recht hoher Geschwindigkeit durch die engen Kurven Greenwichs preschten. Ja, toll, irgendwie, aber auch irgendwie…kurz. Naja, hat man sich ja denken können.

Das alleine wäre jetzt doch irgendwie enttäuschend geworden, also machten wir noch einen längeren Trip: Über die Cutty Sark Gardens ging es in die Painted Hall, was ich diesmal noch interessanter fand als letztes Mal – eben weil ich einiges erzählt bekam über den Inhalt der Bilder. Toll, wenn man Leute kennt, die sich mit sowas auskennen! Über den Greenwich Park samt Royal Observatory ging es dann in Richtung Deptford. Nicht, weil Deptford so unbedingt sehenswert ist, nein, sondern weil an diesem Wochenende gerade das Festival Made in Deptford lief (Festival-Website hat mittlerweile den Geist aufgegeben).

Made in Deptford ist ein witziges Festival. Letztes Jahr ging ich nur kurz die Deptford High Street entlang und ließ mich von der Festival-Atmosphäre einfangen, dieses Jahr besuchten wir Creekside Artists, einer der Studiokomplexe in Creekside, einer kleinen ex-industriellen Straße am Deptford Creek bzw. River Ravensbourne, in der sich mittlerweile etliche Künstler-Kollektive niedergelassen haben. Eine tolle Chance, mal Kunstateliers von innen zu sehen: Über lange Flure mussten wir bis ins Dachgeschoss, um zu den heute ausstellenden Studios zu kommen. So arbeiten heutzutage also Künstler…inmitten alter Industriegebäude.

Viele Künstler waren vor Ort, es gab ein paar Biscuits und wenn man wollte auch Tee, und man konnte einen Blick in die einzelnen “Kabinen” werfen, in denen die Künstler unter unklimatisierten Bedingungen in relativ engen Verhältnissen ihrer Schaffenskraft freien Lauf ließen. Interessante Bilder, Collagen, kleine Bastelwerke und auch Skulpturen waren zu sehen und offensichtlich auch zu kaufen. Da das aber nicht unsere Motivation war und die ausgestellten Werke uns nicht unbedingt umhauten, beließen wir es beim Anschauen. Wie um alles in der Welt verdienen die Künstler hiermit ihren Lebensunterhalt? Vielleicht wie anderswo auch mit zusätzlichen anderen Jobs. Oder über Masse – die war hier zu sehen. Faul sind sie nicht, die Künstler.

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Den Ausflug beschlossen wir in der Laban Theatre Bar. Laban ist das offensichtlich recht bekannte Contemporary Dance College, das mit dem Trinity College of Music, das im Old Royal Naval College stilvoll untergebracht ist, eine konservatorische Einheit bildet. Ins Laban-Gebäude wollte ich immer schon mal und hatte es in meinen fast zwei Jahren nur 200 Meter weiter nie geschafft. Berühmt und mehrfach ausgezeichnet ist das Gebäude für seine Architektur, die wunderbar mit Licht, Transluzenz sowie Farben spielt und dazu noch umweltorientiert ist. Ein Blickfang, den ich monatelang bereits beobachtete, um heute festzustellen, dass das Gebäude auch Innen luftig-modern wirkt. Die Made-in-Deptford-Aktionen des Colleges waren aber offensichtlich bereits vorbei: Wir waren die einzigen Gäste und hatten das gesamte Café für uns alleine. Macht ja nix. Interessant jedenfalls, wieviel Kreativität in dieser kleinen, unscheinbaren Straße am Rande von Greenwich und Deptford steckt.

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