Von der Leichtigkeit des Kontoeröffnens

Date February 2, 2005 | Map

Was habe ich für Horrorgeschichten gehört über die Eröffnung von Bankkonten in London! Unmöglich sei es, beim ersten Versuch eins zu bekommen. Was man alles nachweisen müsse: Identität, Anstellung, Gehalt, Heimatadresse und vor allem den britischen Wohnsitz. Gerade letzteres sei nicht ohne: Da Großbritannien keinerlei Meldepflichten hat, wird hier normalerweise der Wohnsitz per Gas- oder Stromrechnung belegt. Wenn man so etwas nicht hat, sei eine Kontoeröffnung de facto nicht machbar, denn auch Mietverträge würden von den Bänkern nur mit einem müden Lächeln quittiert. Da ich in einer Student Hall wohne, hatte ich keine Gas- oder Stromrechnung. Ich richtete mich auf heiße Diskussionen und eine lange Suche ein.

Mein erster Versuch war bei der HSBC, von der Verbreitung den deutschen Sparkassen nicht unähnlich, am Russell Square, gleich um die Ecke von meiner Uni. Hierher ging ich gleich am zweiten Tag, um zu erfahren, was für Möglichkeiten für mich bestünden. Ich kam gleich dran und erläuterte dem Angestellten meine Situation. Ganz einfach, ganz ehrlich. Er machte sich Notizen, schaute bereits etwas skeptisch und entschuldigte sich für einen Moment. Der Moment dauerte.

Nach fast zehn Minuten kam er wieder und meinte: „Kein Problem. Wir brauchen vom Arbeitgeber einen Beschäftigungsnachweis, der an Ihre britische Wohnsitzadresse gerichtet ist. Dann können Sie wiederkommen.“ Das hörte sich für mich zu einfach an, aber man kann es ja mal versuchen. Die Personalabteilung hatte schon angedeutet, dass sie mich mit Nachweisen durchaus unterstützen würden und sie machten es auch.

Am nächsten Tag holte ich den Nachweis ab und ging zur Bank. Zum Glück war dort der gleiche Angestellte wie von gestern, sicher würde er sich noch an mich erinnern? Diese Frage blieb unbeantwortet, aber zu meiner Überraschung leitete er gleich die Kontoeröffnung ein. Und ich war noch nicht einmal in meinen britischen Wohnsitz eingezogen! Das wäre dann auch fast der Stolperstein geworden: Nach etwa 50 Fragen zu meiner Situation, meinem Gehalt, meiner Herkunft, meinem Job, meiner Arbeitszeit, meinem Studium, meinen…ach, alles, was man halt über eine Person erfahren kann, kam die Frage nach meiner Adresse. Pflichtbewusst gab ich das weiter, was ich auf der Website der Student Hall gelesen hatte. „Welche Hausnummer?“, kam zurück, „welches Flat?“ Unglaublich: In dem Bankencomputer waren tatsächlich alle Wohneinheiten des Wohnheims gelistet! Und ich wusste keine Antwort!

„Kein Problem, wir lassen uns Ihr Scheckbuch und die Debit Card in die Filiale schicken und Sie nennen uns beim Abholen die genaue Adresse“, sagte der Bankangestellte, der höchstens Mitte zwanzig sein konnte. Das war’s. Ich hatte ein Gehalts- und ein Sparkonto. Einfach so. Beim ersten Versuch. Ich war vollwertiges Mitglied der Londoner Community der Berufstätigen! Und wenn ich wollte, konnte ich mir laut HSBC-Guidebook auch ein Scheckbuch für Linkshänder bestellen. Dazu werden Linkshänder ausdrücklich aufgefordert!

Also, liebe Leute, bevor sich noch irgend jemand darüber beklagt, dass man als Deutscher kein Konto in London bekäme, gehet hin zur HSBC am Russell Square und seiet ehrlich! Dann werde auch das Konto mit euch sein!

Die neuen Konto-Karten waren eine Woche später auch pünktlich eingetroffen, und wie verabredet hinterließ ich meine komplette Adresse bei demselben Angestellten wie letztes Mal. Überhaupt schien ich immer auf diesen Burschen zu treffen. Okay, die Filiale hat nur zwei Beraterplätze, aber seine Kollegin war nicht so häufig da wie er. Und ich besuchte ihn regelmäßig. Denn obwohl das mit der Kontoeröffnung leicht vonstatten ging, ist die Zustellung der PIN-Nummer etwas ganz anderes. Nach drei Wochen bekam ich die Auskunft, sie sei mir postalisch zugestellt worden. Na hoffentlich an die korrigierte Adresse. Einen Tag später bestellte ich einen neuen PIN-Brief zur Abholung in der Filiale. Und auf das Scheckheft warte ich noch heute.

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