SUM(1,4,6)

Date April 1, 2006 | Map

Der März 2006 stand im Zeichen des node.l-Medienfestivals, das am ersten April mit einem Event von morgens bis, nun, morgens zuende ging: SUM(1,4,6) lautete der Titel des Tages, der bereits auf Geeks hindeutet. Der angekündigte Hauptact war ein Cyberboxkampf in den Hallen des Project Space Area 10, ein altes Sägewerk, das mit diesem Event seine Wiedereröffnung nach Umstrukturierung feierte. Auch der Rest des Programms versprach einiges, wobei man sich erstens nicht wirklich wusste, was da auf einen zukommen würde, und zweitens war das erste Hindernis, Area 10 überhaupt zu finden!

Ein altes Sägewerk sollte eigentlich schwer zu übersehen sein, da es ja sicherlich nicht gerade klein sein würde. Die Karte spezifizierte den Ort zudem recht genau. Vor Ort sieht allerdings alles anders aus: Ich vermutete, der Eingang sei von der Peckham Hill Street zu erreichen. War er aber nicht. Zumindest sah es nicht danach aus, und es war weit und breit kein Hinweisschild zu sehen. Also lief ich auf und ab und legte immer weitere Strecken zurück. Dabei stellte ich fest, dass ich nicht alleine war, auch andere liefen ziellos die Peckham Hill Street auf und ab, und wir stellten fest, dass wir alle das gleiche Ziel hatten. Allerdings nicht die gleiche Vorstellung, wie man es erreichen sollte.

Nachdem ich aber nicht so recht erfolgreich war, folgte ich der Vermutung der anderen und ging Richtung Norden, was nicht nur meiner Intuition widersprach, sondern tatsächlich auch völlig verkehrt war. Immerhin bescherte mir das noch einen kleinen Parkspaziergang, an dessen Ende ich bereit war, unverrichteter Dinge wieder nach Hause zu fahren. Bis ich die kleine Tür entdeckte. Erreichbar über eine Art Trampelpfad, kein erkennbares Schild, und insgesamt nicht sehr lebendig. Ein Schild war dann doch da, schlecht erkennbar, aber mit klarer Ansage: Area 10.

Ich bezahlte meine “freiwillige” Spende von fünf Pfund und stand in einer ziemlich leeren, großen Halle, in der ein Boxring der eindeutige Blickfang war. Kleine Grüppchen und Einzelpersonen liefen herum, verewigten sich auf der Node-Drawings-Wand, schauten in die kleinen Ausstellungskabinen und gingen von Raum zu Halle – kleine Festival-Atmosphere, aber alles andere als überfüllt. Eine kleine Bar gab es auch mit Bier und anderen Getränken fast zu Selbstkostenpreisen.

In zwei Hallen und weiteren Räumen wurde völlig Unterschiedliches geboten, was sich absolut nicht beschreiben, sondern nur erleben lässt. Gemein hatten die Acts allerdings die Medientechnologie: Eine solch geekige Veranstaltung mit so vielen liebevoll Verrückten hatte ich in meinem Leben tatsächlich noch nie erlebt. Absolut nie. Auch nicht beim “strange things with electricity”-Dorkfest. Von den Dorks liefen hier übrigens so einige auch wieder herum. Hey, ich kenne mich jetzt aus in der Szene!

Das komplette Programm kann ich hier nicht wiedergeben. Die Highlights waren aber eindeutig das groß angekündigte Cyberboxing: Arcangel gegen Subculture – zwei Hacker versuchten nach streng festgelegten Regeln, die vorher vom Ringrichter erläutert wurden, ihre Webseiten zu zerstören. Live im Internet – man konnte es zuhause verfolgen, und vor Ort wurde alles auf drei große Leinwände projiziert. Die Kontrahenten zogen ein in den Ring wie bei einem echten Boxkampf, mit Maske, Hymne und großen Gebärden. Der Kampf sollte über mehrere Runden gehen, und Strafe für eine verlorene Runde war ein tiefer Schluck aus der Tequila-Pulle.

Schon nach zwei Runden wusste kaum einer mehr, was da eigentlich passierte. Der Ringrichter versuchte zu kommentieren, was der jeweilige Angriffshacker denn so herumhackte, aber obwohl der HTML Source Code zu sehen war, war das alles absolut nicht mehr richtig nachvollziehbar. Allerdings schauten sich die Zuschauer erst nach etwa fünf bis sechs Runden fragend an…und wir kamen ins Gespräch: “Was passiert denn da gerade?” – “Subculture ist dran, der macht da was an der Website” – “Aha” – “Ja, hat der Ringrichter gesagt, ich kann nichts erkennen”. Und ab Runde sieben wusste der Ringrichter auch nicht mehr so ganz, was da ablief und vergriff sich selbst an der Tequila-Flasche.

Jedenfalls hat Subculture gewonnen, und ich fing ein paar Beutel dieser mexikanischen Zucker-Chilipulver-Mischung, die man in Mexiko wohl als Süßigkeit lutscht. In Europa wird man das eher als Gewürz in einen Eintopf kippen.

Richtig gut fand ich die Kurzfilme von Exploding Cinema im Schuppen, ansonsten war das Event ein durchaus vergnügliches Hin- und Herwandern zwischen den Hallen und Räumen. Immerhin so vergnüglich, dass ich Stunden nach Mitternacht von Peckham bis nach Greenwich zu Fuß nach Hause lief. Zum Glück wusste ich damals noch nicht, wie es mit der Kriminalität in Peckham aussah.

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